Daniel Dorsch

Villa Pii Volume 1

01-Blick von der Villa Pii

Bin der Einladung meines langjährigen Freundes Peter nach Japan gefolgt. Er hat ein kleines Haus, etwa 120 km von Tokyo entfernt. Es steht auf einer Klippe an der Pazifikküste. Hier arbeite ich an neuen Musiktracks in einer unfassbar schönen Umgebung.

02-Villa Pii

2006 habe ich Peter schon einmal besucht. Damals schrieb ich eine Art Tagebuch für meine Freunde und notierte alles was ich interessant fand. Damit möchte ich diesmal fortfahren. Viel Spass beim schauen & lesen.

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Porzellanscherben

Der Herbst ist frisch im Bezirk Chiba. Tage, die in Deutschland als erstklassige Sommertage durchgehen, locken hier niemand vor die Tür. Niemand geht an den Strand oder gar ins Meer. Ich gehe täglich schwimmen, bei einer Durchschnitts Tagestemperatur von 24 Grad, einsam und allein in das eiskalte Meer (ca.18 Grad). Sollte doch ab und zu ein Angler oder Surfer im Neopren-Anzug am Strand sein, ernte ich Verständnislose Blicke, von den sonst so verständnisvollen Anwohnern. Nach dem schwimmen schweift mein Blick über das Meer, oder besser: mein Blick schweift über die Wasserkante. Ich sehe all die schönen Dinge, die hier an Land gespült werden. Es ist eine alte Strandspaziergang-Fischkopp-Gewohnheit… Immer auf der Suche nach dem Bernstein. Neben all den Muscheln Schnecken Krabben etc. entdecke ich Massen an Porzellanscherben.

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Gibt es Rituale, wie bei uns den Polterabend hier am Pazifik? Der Ozean wird hier als Gottheit verheert. Darauf weisen die roten Tore am Wasser hin, die sonst vor Schreinen und Tempeln stehen. Wo kommen also die vielen Porzellanscherben her? … nun, das hängt wohl mit DEM Tsunami zusammen… sagt Peter.

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Tunnel

In Chiba ziehen sich Berge und Täler zum Meer hin, so das es unzählige kleine Buchten und hohe Klippen gibt. Möchte man sich nun parallel zur Küste bewegen muss man entweder ständig Berg auf und Berg ab, oder man nimmt einen der unzähligen Tunnel.

Tunnel für Autos und Fussgänger
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Es gibt meist Einen für Autos und für Fussgänger nebeneinander. Frage ich Peter, wie weit es z.B. nach Ubara zum Bahnhof ist, antwortet er: sechs Tunnel nach rechts und dann wieder rechts. Nach Katsuura sind es vier Tunnel. Überhaupt gibt man Entfernungen hier in Tunneln an … sagt Peter.

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Katsuura VS Warnemünde

Katsuura ist eine Kleinstadt am Pazifik und ich bin aus einer Kleinstadt an der Ostsee. Ich denke, das kann man nicht vergleichen. Warnemünde ist größer als Katsuura und der Pazifik ist größer als die Ostsee. In Warnemünde wird nicht morgens um sieben das Heideröslein gespielt und in Katsuura läuten nicht Sonntags um zehn die Kirchenglocken.

Warnemünde hat drei Leuchttürme von dem einer wirklich im Ort präsent ist, Katsuura hat nur einen, der nicht zu sehen ist. Der steht hinter der Bucht und er leuchtet auch nicht… sagt Peter. Mit dem Fahrrad fahr ich an der Küste entlang. Von Tunnel zu Tunnel. Es ist wie immer 17:00 Uhr schlagartig dunkel geworden. Als ich am einzigen Strandhotel in Katsuura vorbei fahre, ist es gefühlte 23:00 Uhr.

Katsuura

Viele bunte Lichter, Blaue blinkende Strassenbegrenzungslampen – Solarstrombetrieben, Getränkeautomaten u.s.w. Als ich am Ufer Richtung Fischereihafen fahre, denke ich,es kommt mir so bekannt vor. Warum? Weil ich gerne irgendwo rumstehe und höre statt umherzu schauen. Also, ich höre den Schiffsmotor von einem Kutter der am Kai liegt und neben mir aus der Werkhalle leise Stromgeneratorgeräusche. Vom Kay höre ich das leise sirren von Angelrollen.Die Dunkelheit mit den Lichtern, der für meine Begriffe, warme Wind, der dumpfe Klang der Dieselmotoren mit all den anderen technischen Geräuschen, Wasserpumpen, Trafobrummen, Glühlampenbritzeln, das leise Rauschen des Meeres… Ich fühle mich wie früher, als ich als Junge nachts am Passagierkai in Warnemünde den Anglern zu geschaut habe.Wo die Lotsenboote am Kai gelegen haben, mit laufenden Motoren…. eine extrem sentimentale Angelegenheiten, das in der Fremde zu erleben.

Leuchtturm in Katsuura

Ich möchte den Leuchtturm finden und fahre am Kay entlang, an Fischkuttern vorbei. Die Bucht endet an einem Tunnel der zur nächsten Bucht führt. Dann fahre ich eine Serpentinen Strasse immer Berg auf. Es wäre stockdunkel wenn nicht der (fast) Vollmond scheinen würde. Von Katsuura ist nichts mehr zu sehen, aber vor mir / über mir sehe ich den Lichtstrahl eines Leuchtturms. Er leuchtet also. Dort angekommen ziehe ich, bevor mich weitere sentimentalen Gefühle überkommen (der Anblick des Vollmond, Leuchtturm, Klippen, Meer usw.) den Fotoapparat aus der Tasche und fotografiere alles. Ich fahre zurück in die Stadt. Es sind kaum Menschen auf der Strasse. Alle Geschäfte und Restaurants sind offen.

Katsuura

Es ist ein bisschen wie in der Szene aus Chihiros Reise ins Zauberland, in der die Eltern von Chihiro sich in einem leeren Restaurant, voller leckerer Speisen in Schweine verwandeln. Gefühlt, weit nach Mitternacht. Die Kaufhalle ist noch offen. Ich Kaufe Onigiri, ein dreieckiger Reisball mit was drin. Das ist so eine Art Pausensnack für zwischendurch, der Snickers von Japan und einen Dosenmilchkaffee aus dem Automaten. Gestärkt fahre ich zurück in die Villa Pii. Es ist 20:30.